Seiten

Lilly Lindner, aus "Bevor ich falle", S.176

"Da war ich für die Dauer eines Augenblicks wortstill.
Denn schöne Sätze haben einen Ausklang verdient.
Ohne Unterbrechung."

Bob und Soleil: Die erste Begegnung

29.10.2013

Ein Windhauch blies mir einzelne braune Haarsträhnen ums Gesicht.
Die Sonne schien herbstlich warm auf mich herab, während ich die Knie angezogen auf der hölzernen, alten Bank saß.
Das hohe Gras wiegte sanft hin und her und verursachte eine Art Rauschen.
Den Moment genießend saß ich da und tat einfach mal nichts.
Neben mir lag mein rot eingebundener Notizblock und mein schwarzer Kugelschreiber.
Vor mir erstreckte sich eine weite Wiese, die fließend in den Himmel überging, an dem nur einzelne weiße Schäfchenwolken hingen.
Es war ein schöner Ort. In dem vom Wetter gezeichneten Holz der Bank waren Namen und Sprüche eingezeichnet. Wenn man ihr zuhören würde, würde diese Bank eine Menge Geschichten erzählen.
Vielleicht würde irgendwann auch mein Name in diesem Holz stehen und eine weitere Geschichte beitragen.
Ein Schatten tauchte in meinem Augenwinkel auf.
„Das ist eigentlich mein Platz!“, sagte eine Jungenstimme neben mir.
Langsam drehte und senkte ich den Kopf und betrachtete noch einmal die Namen.
„Gut möglich, dass dein Name hier steht. Aber wie du vielleicht erkennst, dürfte es schwierig sein auf diesen Platz Anspruch zu erheben.“
Vollkommen ernst blickte ich auf und beobachtete, wie das Lächeln auf seinem Gesicht unsicher wurde.
„Manche Leute sagen mir nach, dass ich unempfänglich für Humor bin. Sie haben Recht, so ist es“, schob ich beiläufig nach und richtete meinen Blick wieder nach vorne.
„Darf ich mich zu dir setzen?“
Wieder blickte ich auf. Das unsichere Lächeln war noch nicht verschwunden. Der Junge hatte dunkelblonde, sehr kurze Haare. Sein Körper war schlaksig und seine Augen dunkel.
Einen Moment betrachtete ich noch sein kindlich wirkendes Gesicht und seine schlichte Kleidung, dann nahm ich meinen Blog und den Stift zur Seite, stellte meine Füße auf den Boden und wartete.
Als nichts passierte wandte ich dem Jungen genervt den Kopf zu. „Hast du je gelernt Zeichen, die von anderen Menschen ausgehen zu deuten?“ Unsicher mied er Augenkontakt.
„Was ist nun? Setzt du dich oder nicht?“
Da lächelte er mich wieder an und ließ sich neben mich auf die Bank fallen.
Dann streckte er mir die Hand hin. „Ich bin Bob!“
„Bob? Echt jetzt?“
Mit der anderen Hand fuhr er sich durch die Haare. „Ich würde gerne sagen, dass es nicht so ist.“
Ich musste grinsen, als er sich theatralisch ans Herz fasste. „Aber leider würde ich dann lügen.“
Seine Augen leuchteten. „So ganz stumpf bist du ja doch nicht!“
„Hallo Bob“, erwiderte ich und ignorierte seine ausgestreckte Hand.
Er rutschte ein Stück von mir weg und studierte die Bank. Dann deutete er mit dem Finger auf eine Stelle. „Da steht er, mein Name!“
Ich verdrehte die Augen. „Super, geh nach Hause, vielleicht bekommst du dann einen Keks dafür.“
„Sarkasmus steht dir nicht gut. Also, wie heißt du, grimmiges Mädchen?“ Er lehnte sich entspannt zurück und schloss die Augen. Sein Gesicht war in das fließende Gold der Sonnenstrahlen getaucht.
„Soleil.“
„Soleil? Bob und Soleil, klingt doch gut, findest du nicht?“
„Du nervst, weißt du das eigentlich?“
„Sag mal, heißt ,soleil' nicht Sonne? Also, irgendwie bist du eher eine Gewitterwolke.“
Bob hatte noch immer die Augen geschlossen, aber in seinen Worten versteckte sich ein Augenzwinkern.
„Na dann lass uns doch einfach Namen tauschen, du bist Soleil und ich bin Bob. Bob sagt ja nicht allzu viel aus.“
„Aua, du teilst ziemlich gerne aus, oder?“
„Und du steckst ziemlich gut ein!“
„Wir ergänzen uns.“
„In deinen Träumen.“
Auch ich schloss nun die Augen und genoss die Wärme der Sonne auf meinem Gesicht, lauschte dem Rascheln der Blätter.
„Jetzt mal im Ernst, warum hast du so schlechte Laune, Soleil?“, fragte er nach einigen ruhigen Minuten.
Er betrachtete mich aufmerksam, als ich die Augen aufschlug.
Eine gute Frage. 
"Scheiß Tag gehabt." Um es kurz zu machen; ich habe schlecht und zu wenig geschlafen, die Lehrer hassen mich, warum auch immer, wir hatten nichts zu Essen im Haus und so weiter. Mal abgesehen davon, dass ich einmal an diesem Tag meine Ruhe haben wollte und dann dieser...dieser Bob auftaucht und zu viel gute Laune versprüht.
Ich mag Tiere und Pflanzen, aber mit Menschen fällt es mir nicht immer so leicht.
Wie von selbst wandert mein Blick zu Bob. Er sitzt seelenruhig da und schaut mich an.
Dann nickt er einmal, als Zeichen, dass er es zu Kenntnis genommen hat und lehnt sich wieder zurück. Die beste Art, wie er nur reagieren konnte.
__________
Beste Grüße
Eure

1 Kommentar:

*tralala* ich freu mich über Jeden Kommentar, denn sie erhalten die Freude am bloggen. Ich antworte unter euren Kommentaren, oder auf eurem Blog :)