„„Es war ein mal ...“, so
beginnen Märchen. Märchen mit Happy End, so was wollen Leute lesen,
Dinge über die man nicht nachdenken muss. Auf der Welt gibt es viele
Geschichten, aber nur die wenigsten enden mit Happy End.“
Nachdenklich betrachtete Jason sein Geschriebenes.
„Was denkst du über Märchen?“
Dumme Frage. Jason konnte sich nie für Märchen begeistern.
Er strich die Worte alle wieder gerade
durch. Sein Standpunkt war Schwachsinn, das wusste er nun, oder wie
sollt er sonst den Engel erklären, den er im Wald gesehen hatte?
Sobald er an dieses schöne Wesen dachte wurde sein Mund trocken und
seine Hände begannen zu schwitzen.
Ein Leuchten hatte sie umgeben. Ihr
blondes Haar, das in sanften Wellen ihren Rücken bis zum Taille
hinabfiel, ließ ihn an einen Wasserfall aus Gold denken.
Sie hatte riesige weiße Flügel, die
Federn lagen ordentlich glänzend eng an und man musste schon genau
hinsehen um sie als solche zu identifizieren.
Dann noch das weiße zerrissene Kleid
und der Wind, welcher ihr das Haar ums Gesicht wehte und das Bild war
perfekt.
Sie hatte aus unglaublich großen und
blauen Augen erschrocken in seine Richtung geblickt.
Er hatte einen nächtlichen
Waldspaziergang machen wollen, und plötzlich stand da so etwas vor
ihm. Wie erstarrt war er dort stehen geblieben und hatte einfach nur
gestarrt und sie hatte zurück gestarrt. Beide mit offen stehendem
Mund. Dann hatte er die Hand zum Gruß gehoben, und plötzlich hatte
sie sich herumgedreht und war davongelaufen. Schneller als ein Mensch
und mit unglaublicher Gewandtheit. Er wollte ihr hinterherlaufen,
doch da kam plötzlich ein Sturm auf. Er hatte das Grollen und
Donnern gehört und es als klare Message erfasst, und zwar, ihr nicht
zu folgen.
Seitdem schwirrte das Bild von ihr wie
ein Vogel in seinem Kopf umher. Wenn er schlief, wenn er arbeitete,
wenn er am PC saß, vorm Fernseher, was mit Freunden unternahm,
einfach immer.
„Was hast du geschrieben Jason?“,
drang plötzlich die Stimme seiner Lehrerin zu ihm durch.
„Ey, Alter.“ Sein Kumpel Mik
knuffte ihn mit dem Ellenbogen. Mit einem Blick deutete er auf Jasons
Heft.
„Äh...“, brachte dieser nun
heraus.
Die Lehrerin nickte missbilligend und
nahm jemand anderen dran.
„Was ist mit dir los, Alter?“
Jason sah seinen Nachbarn an und ohne
zu überlegen sagte er: „Ich habe einen Engel gesehen.“
Mik schaute ihn einen Moment
nachdenklich an. „Ich weiß ja, dass Angi so schön wie ein Engel
aussieht, aber … hör mal, gegen Joe kommst du echt nicht
an.“
Dafür handelte sich Mik einen undefinierbaren Blick ein. „Das meinte ich nicht, ich sagte ich habe einen Engel gesehen, mit Flügeln, hellem Licht und allem drum und dran.“
Dafür handelte sich Mik einen undefinierbaren Blick ein. „Das meinte ich nicht, ich sagte ich habe einen Engel gesehen, mit Flügeln, hellem Licht und allem drum und dran.“
Mik verkniff sich mühsam ein Lachen.
„Okay, Alter. Ich hab schon verstanden, du willst nicht darüber
reden.“ Er dachte Jason hätte ein Problem und wollte nicht darüber
reden.
Erbost blickte Jason seinen Kumpel an,
doch dieser bekam davon gar nichts mit.
Am Abend lag er im Dunkeln in seiner
Altagskleidung auf dem gemachten Bett.
Der Mond war voll und man brauchte gar
kein Licht anmachen, Jason konnte jeder Einzelheit klar und deutlich
erkennen, nur war das Mondlicht unnatürlich gelblich.
Ruckartig setzte er sich auf und
blickte sich in seinem geräumigen Zimmer um. Dann griff er seinen
Baseballschläger, welcher hinter dem Bett an der Wand lehnte und
ging so leide wie möglich auf die Tür zu. Er stellte sich erst
neben die Glastür zum Balkon in den schützenden Schatten der Wand.
Vorsichtig lugte er durch das Glas.
Das Licht erlosch schlagartig. Verwirrt
und schwer atmend lehnte er sich wieder zurück an die Wand.
Was war da draußen?
Dann nahm er allen Mut zusammen, trat
vor die Tür, öffnete sie und ging hinaus.
Abrupt blieb er stehen und rieb sich
ungläubig die Augen.
Dort saß er oder sie. Der Engel, die
Engelsfrau.
Sie hatte sich auf dem Geländer
niedergelassen und schaute ihn ruhig an.
Ihr goldenes Haar war zu einem
kompliziertem Zopf geflochten, sie trug normale Kleidung, Jeans und
Top und ihre Flügel, ja, ihre Flügel waren weg.
Mit zitternden Händen lehnte er den
Schläger gegen die Wand und ging vorsichtig auf den Engel zu.
Als sie ruhig sitzen blieb, schwang er
sich neben ihr auf das Geländer.
Sie roch sehr gut.
Schließlich brach sie das Schweigen.
Ihr Stimme klang wie eine Melodie. Hoch und klar.
„Mein Name ist Niabeth, ich bin ein
Engel des Lichts.“
Sprachlos sah er sie an. Als er seine
Stimme wiedergefunden hatte, sagte er weniger melodiös: „Ich heiße
Jason, freut mich!“ Er hielt ihr die Hand hin und sie schaute
fragend auf sie hinunter.
Zögernd ließ er sie wieder sinken.
„Niabeth ist ein sehr schöner Name“,
begann Jason.
Sie nickte. „Dankeschön.“ Dann
schwieg sie wieder.
„Warum bist du her gekommen,
Niabeth?“ Der Name schmolz förmlich auf seiner Zunge, so weich und
fließend war er.
„Weil ich dich befreien muss.“
„Befreien?“, hakte er nach. Mein
Gott, dem Engel musste man aber wirklich jede Einzelheit aus der Nase
ziehen.
Nun schaute sie ihm ganz offen in die
Augen. „Du hast mich als Engel gesehen, du hast meinen Schein
gesehen, du bist von mir gefangen.“
Prüfend blickte Jason sich um, ob er
irgendwo Gitterstäbe entdeckte.
Niabeth blickte fast liebevoll. „Es
war ein Fehler, dass du mich so gesehen hast, und den muss ich jetzt
wieder ausbügeln.“ Sie beugte sich vor, doch er eich vor ihr
zurück. „Warte, musst du das tun?“ Sie nickte. Er atmete tief
durch. „Dann nimm von mir aus diesen Bann, aber lass mir die
Erinnerung an heute, und an den Abend im Wald.“
Sie nagte an ihrer Unterlippe.
Schließlich beugte sie sich vor und gab ihm einen Kuss.
Sie gab ihm den Kuss, aber sie nahm den
Bann von ihm.
Als sie sich zurücklehnte und sie sich
ansahen wusste sie, sie hatte das richtige getan.
„Es ist vorbei!“, flüsterte sie.
Dann schwang sie die Beine über das Geländer und sprang hinunter.
Sie wandte ihm ihr Gesicht ein letztes
mal zu, dann rannte sie davon.
Jason sah ihr hinterher, bis sie nicht
mehr zu sehen war.
Dann ging er langsam zurück ins Haus,
ließ die Tür aber offen.
Er nahm sein Heft und schrieb hinein:
„„Es war ein mal ...“, so
beginnen Märchen. Märchen mit Happy End, so was wollen Leute lesen,
Dinge über die man nicht nachdenken muss. Auf der Welt gibt es viele
Geschichten, aber nur die wenigsten enden mit Happy End.“
„„Es war ein mal ...“, so
beginnen Märchen. Märchen mit Happy End, so was wollen Leute lesen,
Dinge über die man nicht nachdenken muss. Auf der Welt gibt es viele
Geschichten, aber nur die wenigsten enden mit Happy End.“
Wow. Das ist toll!!! :)
AntwortenLöschenvielen dank! .. :)
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