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Lilly Lindner, aus "Bevor ich falle", S.176

"Da war ich für die Dauer eines Augenblicks wortstill.
Denn schöne Sätze haben einen Ausklang verdient.
Ohne Unterbrechung."

Flügelschlag Teil 3

Sie musste sich erst einen Moment von der Reise in diese Welt erholen und registrierte zu spät, dass er es gewesen war. Nun konnte sie nur noch seinen Rücken betrachten, der sich immer weiter entfernte, es sei denn sie würde sich jetzt beeilen.
Dann setzte sie sich endlich in Bewegung. Bevor sie sich persönlich kennen lernen würden, wollte Nynia noch ein paar Informationen zu Josh sammeln. Niemals würde sie unvorbereitet in diesen Auftrag hinein marschieren, immerhin war dies ihre einzige Chance sich zu beweisen und vielleicht nach Abschluss der Mission eine weitere zu erhalten.
Schnell wischte sie sich noch mal über die Augen, welche sich noch nicht ganz an diese Sonne gewöhnt hatten und lief los um Josh noch einzuholen.
Als sie ihn wieder im Blick hatte, aber ihm noch in sicherer Entfernung folgte begutachtete sie die Umgebung.
Nynia fühlte sich in ihrer Welt und in ihrer Haut wohler. Hier war überall Beton, Häuser und keine richtigen Wälder, zumindest was sie bis jetzt gesehen hatte.
Sie steckte die Hände in die Taschen ihrer Jeans. Er hatte sie nicht bemerkt, wie auch, in seinen Ohren steckten Ohrenstöpsel und fast konnte sie die Musik hören.
Aber noch Schlimmer war der Verkehrslärm. Nun war sie schon so oft hier gewesen und doch konnte sie sich nicht daran gewöhnen.
Nynia widerstand nur mit einiger Mühe der Versuchung sich die Ohren zuzuhalten, das wäre nun wirklich zu auffällig gewesen.
Josh bog um die Ecke und hielt auf eines der Häuser zu. Als er klingelte erschien ein Mädchen in seinem Alter in der Tür. Ihr Gesicht war vor Wut verzerrt und sie tippte immer wieder mit dem Fuß auf den Boden.
Eigentlich wollte Nynia einen Tarnzauber aussprechen, aber das war in der Welt der Menschen zu auffällig und Energie raubend.
„Hast du mal auf die Uhr geguckt?“, wetterte das Mädchen los.
Josh nahm sich die Stöpsel aus dem Ohr und erwiderte: „Ich wurde aufgehalten, entschuldige.“
Nynia war erstaunt über seine Ruhe.
Das Mädchen war da aber anscheinend anderer Meinung. „Geht dir das eigentlich alles am Arsch vorbei? Das geht so nicht weiter!“
„Mina, komm schon. Ich konnte nichts dagegen machen!“ Nun schwang auch in seiner Stimme etwas mit, was Nynia nicht benennen konnte.
„Was war denn nun schon wieder wichtiges als ich? Doch wohl nicht schon wieder diese Steine!“
Leise zog Nynia sich etwas zurück. Es war nicht fair, dass sie einem streitendem Paar lauschte.
Nach einiger Zeit vernahm sie, wie eine Tür zugeschlagen wurde.
Sie richtete sich auf und lauschte. Einen Augenblick kam Josh wütend die Straße hinunter gerannt.
Er warf nur einen Seitenblick auf sie, schien sie aber kaum wahrzunehmen. Schon war er wieder um die Ecke verschwunden.
Nun wandte Nynia doch einen Tarnzauber ab. Die Energie nahm sie aus der Sonne und ließ das Licht einfach durch sich hindurch scheinen.
So folgte sie ihm so gut es ging. Mehrmals drehte er sich misstrauisch um, als wüsste er, dass er verfolgt würde, ohne dass er jemanden sah.
Sein Schritt beschleunigte sich tatsächlich. Nynia machte sich Sorgen, was machte sie falsch? Lag es an der Erde? An den Menschen? An den Maschinen?
Sie lief schneller um ihn nicht zu verlieren.
Er wohnte in einem alten kleinen Haus. Bevor er es betrat blickte er sich noch mal misstrauisch um, entdeckte aber Niemanden.
Josh verschwand im Haus.

Am nächsten Tag fand sie heraus, dass er zum Gymnasium des kleinen Dorfes ging, und zwar in die 11. Klasse.
Sie stellte sich vor, wie sie sich kennenlernten und sie ihm erzähle, sie existiere schon 206 Jahre. Eine wirklich kurze Zeit für Feen.
Niemals würde sie es ihm einfach so erzählen dürfen, ohne dass es einen triftigen Grund dafür gäbe.
Sie meldete sich mit etwas magischer Unterstützung bei der Schule an, was ein ziemliches Hin und Her war, mit den ganzen Fächern und so.
Am nächsten Tag betrat Nynia die Schule, natürlich nicht als Nynia, sondern als Mina. Sie hatte den Namen einfach so gewählt, weil er in ihrem Kopf rumgespukt hatte, und als sie merkte, dass es der Name von Joshs Ex war, war es bereits zu spät.
Innerlich verwünschte sie ihre Achtlosigkeit.
Trotz das Nynia ihr Feenaussehen hinter einer menschlichen Hülle verbarg war sie doch anders. Und diese Andersartigkeit viel den Menschen auf. Köpfe drehten sich, sie wurde gemustert und Gespräche verstummten um die Neue zu begutachten.
Ihr gefiel das nicht so gemustert zu werden. Sie war schließlich kein Tier im Zoo, aber schon ganz früh hatte sie gelernt, dass Menschen neuen Dingen oder Menschen nicht unbedingt sofort aufgeschlossen sind und erst einmal aus der Ferne beobachten.Und so ging Nynia alias Mina den Gang entlang, verfolgt von den neugierigen Blicken der Anderen.
Als sie ihren Spinnt erreichte, bemerkte sie, dass ihr Spinnt neben dem von Josh lag, denn dieser stand direkt daneben.
Nynia öffnete den Spinnt, genau darauf bedacht ihn nicht anzustarren. Dafür hatte sie in den letzten tagen genug Zeit gehabt, als sie ihn stalken musste.
Als sie ihre Sachen im Spinnt verstaut hatte drehte sie sich entschlossen zu ihm um und fragte: „Hi, also das hier ist mein erster Tag, könntest du mit vielleicht sagen, wo ich den Musikraum finde?“
Etwas überrumpelt sah er sie lächelnd an. „Natürlich, komm einfach mit, ich habe jetzt auch Musik.“

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