Sie musste sich erst einen Moment von
der Reise in diese Welt erholen und registrierte zu spät, dass er es
gewesen war. Nun konnte sie nur noch seinen Rücken betrachten, der
sich immer weiter entfernte, es sei denn sie würde sich jetzt
beeilen.
Dann setzte sie sich endlich in
Bewegung. Bevor sie sich persönlich kennen lernen würden, wollte
Nynia noch ein paar Informationen zu Josh sammeln. Niemals würde sie
unvorbereitet in diesen Auftrag hinein marschieren, immerhin war dies
ihre einzige Chance sich zu beweisen und vielleicht nach Abschluss
der Mission eine weitere zu erhalten.
Schnell wischte sie sich noch mal über
die Augen, welche sich noch nicht ganz an diese Sonne gewöhnt hatten
und lief los um Josh noch einzuholen.
Als sie ihn wieder im Blick hatte, aber
ihm noch in sicherer Entfernung folgte begutachtete sie die Umgebung.
Nynia fühlte sich in ihrer Welt und in
ihrer Haut wohler. Hier war überall Beton, Häuser und keine
richtigen Wälder, zumindest was sie bis jetzt gesehen hatte.
Sie steckte die Hände in die Taschen
ihrer Jeans. Er hatte sie nicht bemerkt, wie auch, in seinen Ohren
steckten Ohrenstöpsel und fast konnte sie die Musik hören.
Aber noch Schlimmer war der
Verkehrslärm. Nun war sie schon so oft hier gewesen und doch konnte
sie sich nicht daran gewöhnen.
Nynia widerstand nur mit einiger Mühe
der Versuchung sich die Ohren zuzuhalten, das wäre nun wirklich zu
auffällig gewesen.
Josh bog um die Ecke und hielt auf
eines der Häuser zu. Als er klingelte erschien ein Mädchen in
seinem Alter in der Tür. Ihr Gesicht war vor Wut verzerrt und sie
tippte immer wieder mit dem Fuß auf den Boden.
Eigentlich wollte Nynia einen
Tarnzauber aussprechen, aber das war in der Welt der Menschen zu
auffällig und Energie raubend.
„Hast du mal auf die Uhr geguckt?“,
wetterte das Mädchen los.
Josh nahm sich die Stöpsel aus dem Ohr
und erwiderte: „Ich wurde aufgehalten, entschuldige.“
Nynia war erstaunt über seine Ruhe.
Das Mädchen war da aber anscheinend
anderer Meinung. „Geht dir das eigentlich alles am Arsch vorbei?
Das geht so nicht weiter!“
„Mina, komm schon. Ich konnte nichts
dagegen machen!“ Nun schwang auch in seiner Stimme etwas mit, was
Nynia nicht benennen konnte.
„Was war denn nun schon wieder
wichtiges als ich? Doch wohl nicht schon wieder diese Steine!“
Leise zog Nynia sich etwas zurück. Es
war nicht fair, dass sie einem streitendem Paar lauschte.
Nach einiger Zeit vernahm sie, wie eine
Tür zugeschlagen wurde.
Sie richtete sich auf und lauschte.
Einen Augenblick kam Josh wütend die Straße hinunter gerannt.
Er warf nur einen Seitenblick auf sie,
schien sie aber kaum wahrzunehmen. Schon war er wieder um die Ecke
verschwunden.
Nun wandte Nynia doch einen Tarnzauber
ab. Die Energie nahm sie aus der Sonne und ließ das Licht einfach
durch sich hindurch scheinen.
So folgte sie ihm so gut es ging.
Mehrmals drehte er sich misstrauisch um, als wüsste er, dass er
verfolgt würde, ohne dass er jemanden sah.
Sein Schritt beschleunigte sich
tatsächlich. Nynia machte sich Sorgen, was machte sie falsch? Lag es
an der Erde? An den Menschen? An den Maschinen?
Sie lief schneller um ihn nicht zu
verlieren.
Er wohnte in einem alten kleinen Haus.
Bevor er es betrat blickte er sich noch mal misstrauisch um,
entdeckte aber Niemanden.
Josh verschwand im Haus.
Am nächsten Tag fand sie heraus, dass
er zum Gymnasium des kleinen Dorfes ging, und zwar in die 11. Klasse.
Sie stellte sich vor, wie sie sich
kennenlernten und sie ihm erzähle, sie existiere schon 206 Jahre.
Eine wirklich kurze Zeit für Feen.
Niemals würde sie es ihm einfach so
erzählen dürfen, ohne dass es einen triftigen Grund dafür gäbe.
Sie meldete sich mit etwas magischer
Unterstützung bei der Schule an, was ein ziemliches Hin und Her war,
mit den ganzen Fächern und so.
Am nächsten Tag betrat Nynia die
Schule, natürlich nicht als Nynia, sondern als Mina. Sie hatte den
Namen einfach so gewählt, weil er in ihrem Kopf rumgespukt hatte,
und als sie merkte, dass es der Name von Joshs Ex war, war es bereits
zu spät.
Innerlich verwünschte sie ihre
Achtlosigkeit.
Trotz das Nynia ihr Feenaussehen hinter
einer menschlichen Hülle verbarg war sie doch anders. Und diese
Andersartigkeit viel den Menschen auf. Köpfe drehten sich, sie wurde
gemustert und Gespräche verstummten um die Neue zu begutachten.
Ihr gefiel das nicht so gemustert zu
werden. Sie war schließlich kein Tier im Zoo, aber schon ganz früh
hatte sie gelernt, dass Menschen neuen Dingen oder Menschen nicht
unbedingt sofort aufgeschlossen sind und erst einmal aus der Ferne
beobachten.Und so ging Nynia alias Mina den Gang entlang, verfolgt
von den neugierigen Blicken der Anderen.
Als sie ihren Spinnt erreichte,
bemerkte sie, dass ihr Spinnt neben dem von Josh lag, denn dieser
stand direkt daneben.
Nynia öffnete den Spinnt, genau darauf
bedacht ihn nicht anzustarren. Dafür hatte sie in den letzten tagen
genug Zeit gehabt, als sie ihn stalken musste.
Als sie ihre Sachen im Spinnt verstaut
hatte drehte sie sich entschlossen zu ihm um und fragte: „Hi, also
das hier ist mein erster Tag, könntest du mit vielleicht sagen, wo
ich den Musikraum finde?“
Etwas überrumpelt sah er sie lächelnd
an. „Natürlich, komm einfach mit, ich habe jetzt auch Musik.“